Mit Künstlicher Intelligenz ChatGPT die Arbeitsproduktivität steigern
Martina Lenk, Geschäftsbereichsleiterin Programm & Gestaltung bei der ARD.ZDF medienakademie, hat beim Funkinform Branchentreff in Mannheim die Chancen von KI in Medien hervorgehoben. Sie hält einen Schub bei der Arbeitsproduktivität, die seit längerem stagniert, für möglich.

Aufmerksames Publikum beim zweitägigen Funkinform Branchentreff in Mannheim.
Als Zeitungsredakteurin hat Martina Lenk viel Erfahrung in verschiedenen Verlagen gesammelt und kennt sogar noch die Online-Anfänge, als „alles hart in HTML getippt werden musste. Wir alle nutzen schon länger KI in unserem Alltag, fast ohne es zu merken“, sagt Martina Lenk, „denn wir bekommen am Handy beispielsweise Textvorschläge beim Nachrichten schreiben, wir haben Sprachassistenten etwa im Auto oder Chatbots auf Websites oder am Telefon.“
Der Algorithmus vergisst zwar nichts, aber er versteht leider nicht, was er an Fakten weiß
ChatGPT hat seit November 2022 diese Entwicklung nun wahnsinnig beschleunigt: „Das ist ein echter Turbo.“ Aber ChatGPT ist keine Wissensmaschine, sondern eine Textvervollständigungsmaschine, erklärt Martina Lenk. Die KI-Maschine hat gelernt, grammatikalisch korrekte Sätze zu schreiben. Die KI kann nämlich die Wahrscheinlichkeit berechnen, welches Wort auf ein anderes folgen wird. ChatGPT fehlt aber der Kontext der Kommunikation, also alles das, was wir Menschen mitdenken beim Reden. Wichtig wird deshalb der Unterschied von lernen und verstehen. Der Algorithmus vergisst zwar nicht, was er gelernt hat, doch der Algorithmus versteht nicht, was er weiß. Das ist die Situation derzeit.
Empfehlung für die Redaktionen: Den Einsatz von KI möglichst vielfältig ausprobieren
Die Arbeitsproduktivität der Gesamtwirtschaft stagniert schon seit einigen Jahren. Hier könnte Künstliche Intelligenz einen wichtigen Schub geben. Die KI muss dafür allerdings für die einzelnen Wirtschaftszweige, also etwa die Verlage, adaptiert werden. Martina Lenk empfiehlt, den Einsatz von KI möglichst vielfältig auszuprobieren. Dabei wird dann das Thema „Verifikation“ von Inhalten ganz entscheidend sein.
KI kann unterstützen: erstens bei der Recherche, also bei der Beschaffung von Infos, Prüfen von Inhalten, Muster-Erkennung bei großen Datenmengen, zweitens bei der Produktion, also bei dem Erstellen und Bearbeiten von Texten, Bildern und Videos, der Aufbereitung des Materials, für verschiedene Kanäle und drittens bei der Distribution, also der Personalisierung der Inhalte, beim Marketing, der Ermittlung von Zielgruppen und durch Gewinnen von Erkenntnissen aus dem Nutzerverhalten. Das Schreiben einfacher Textsorten, die Zusammenfassung großer Textmengen und Ideen liefern für Überschriften - das kann KI. KI wird aber nicht den Journalismus ersetzen können.
Diskussionsrunde: Die Glaubwürdigkeit der Zeitungen darf nicht gefährdet werden
In einer Diskussionrunde, die von Martina Lenk moderiert wurde, vertieften drei Journalisten die vielfältigen Überlegungen, die es in den Redaktionen zur KI-Anwendung gibt. „Wir stecken mitten in der Transformation. Wir probieren unheimlich viel aus. Wir suchen die Anwendungsfälle, und zwar nicht nur in der Redaktion, sondern auch in der Kundenkommunikation und im Marketing“, schildert Magnus Schlecht, CDO der „Pforzheimer Zeitung“, die gegenwärtige Situation in seinem Verlag.
Die Basis für alle Text, die in einer Redaktion erstellt und bearbeitet werden, sollten natürlich eigene Texte sein, meint Magnus Schlecht und stimmt dabei mit Martina Lenk überein. ChatGPT könne dann das Umschreiben, etwa für andere Kanäle, besorgen, aber es könne nicht selber kreativ sein.
Mit KI zu Erleichterungen und Verbesserungen im Redaktionsalltag kommen
Für Maximilian Wachter, den Prozess- und Redaktionsmanager in der Chefredaktion der „Nürnberger Nachrichten“, geht es beim KI-Einsatz darum, zu ermitteln, was stört die Redakteure bei ihrer täglichen Arbeit. Das müsse man wissen, um dann dort anzusetzen, damit mit KI für Erleichterungen und Verbesserungen im Redaktionsalltag gesorgt werden könne. KI könnte in dieser Hinsicht einiges an Hilfestellungen bringen. „Es liegen viele Chancen in dem Thema KI“, glaubt Maximilian Wachter. „Wo setzen wir in unserer Produktion die KI ein und welche Effekte werden dann damit möglich sein?“
Dr. Stephan Wolf, stellvertretender Chefredakteur der „Ludwigsburger Kreiszeitung“, möchte jetzt noch nicht KI in der Redaktion ausrollen. „Denn dann würden wir die Redaktion regelrecht überrollen.“ Auch für ihn gilt festzustellen: „Wie können wir in der Redaktion entlastet werden?“ Daher werde derzeit in der Chefredaktion in Ludwigsburg viel getestet, welche Möglichkeiten es gibt. Wolf beschreibt die KI ChatGPT als eine Art extrem talentierten Volontär, der schon einige Arbeiten erledigen kann, der aber natürlich immer noch Begleitung, Anleitung und Kontrolle durch erfahrene Journalisten benötige.
Der Mensch muss als Autor für den Textkern der Artikel verantwortlich bleiben
Alle drei Journalisten sind sich einig, dass der Textkern eines Berichts stets von Menschen geschrieben sein muss und dass die KI daraus dann Varianten erzeugen kann, etwa für Social Media Kanäle, Podcasts und Videos. Einig sind sie sich auch darin, dass es verbindliche Regeln geben muss und dass es eine Kennzeichnungspflicht geben wird. Damit der Leser erkennt, wo war KI im Spiel. Magnus Schlecht macht dort ein bedeutsames Glaubwürdigkeitsproblem fest: „Wie werden unsere Leser und Nutzer darauf reagieren, wenn sie hören, dass in unserer Zeitung eine KI mitwirkt?“
Stephan Wolf meint, dass die Redakteure auf jeden Fall die vier bis sechs Texte täglich recherchieren und schreiben müssen, die den Leser wirklich anpacken: „Solche Texte werden nie von der KI geschaffen werden.“ Das, was Redakteure wirklich gut machen, das müsste in den Vordergrund gestellt werden, sagt der erfahrene Zeitungsmann. Einigkeit herrscht auch zu der Auffassung, dass die Redakteure sich stets an Qualitätskriterien messen lassen.
Die „Pforzheimer Zeitung“ hat sich aufgemacht auf den langen Weg zu „Online Only“
Was ist da los in der Goldstadt Pforzheim? Die Zeitung auf dem Weg zu „Online only“? „Wir planen zwar den Switch, aber wir planen natürlich nicht die Zerstörung der Print-Zeitung“, sagt der Pforzheimer Zeitungsmann. Magnus Schlecht, CDO im Medienhaus der „Pforzheimer Zeitung“, weiß bei aller Begeisterung für die digitalen Kanäle um die Bedeutung der klassischen Zeitung: Print finanziert in dieser Übergangsphase selbstverständlich das Digitale. Deshalb ist es auch so wichtig, sich um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Zeitung zu kümmern.
Die Emanzipation der Zeitung vom Druck muss gelingen, damit die Transformation gelingt. Die beste Technologie funktioniere nicht, wenn die Inhalte, die Angebote für die Kunden nicht überzeugen. Daher sein Appell, die Transformation nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich zu denken, vom Content her.
Die Social Media Kanäle sind ein wichtiger Bestandteil der Digitalstrategie in Pforzheim
Die „Pforzheimer Zeitung“ ist ein typisch mittelständischer Betrieb, mit 140 Beschäftigten, darunter 45 Redakteure, rund 25 Millionen Umsatz, einer verkauften Auflage um die 29.000 Exemplare und 2,5 Millionen Visits pro Monat auf der digitalen Zeitung PZ-news. 15 bis 20 Prozent kommen bereits aus dem Digitalgeschäft. 2030, so die Prognose, werden die Digitalerlöse so hoch sein wie die Printerlöse. Social Media Kanäle sind ein wichtiger Bestandteil der Digitalstrategie mit guten Nutzerzahlen: 32.000 bei Instagram, 55.000 bei Facebook, 4.000 bei Snapchat und 7.000 bei Tik-Tok.
„Ein historischer Tag“ war der 9. Juni 2023, das war nämlich der Tag, an dem die „Pforzheimer Zeitung“ gedruckt nicht erscheinen konnte wegen eines Totalausfalls der Druckmaschine. „Über Nacht waren wir plötzlich Online only“, berichtet Magnus Schlecht über diese unerwartete Erfahrung. Seit dem ist den Zeitungsleuten in Pforzheim noch deutlicher geworden, wie wichtig die Umsteuerung ist.
Leitbild der Zeitung: Leistungsfähig, digital, nachhaltig und kundennah sein
Das Leitbild der Zeitung lautet leistungsfähig, digital, nachhaltig und kundennah zu sein. Ein Video, das Magnus Schlecht beim Branchentag vorführte, zeigt, wie sich die journalistische Arbeit verändert. Es gilt, eine Antwort zu finden zu dem sich ändernden Mediennutzungsverhalten der nächsten Generation. Vermarktung dort, wo die Zielgruppen sind, mit Videos und Social Media-Formaten. Dazu eine Verlängerung von Anzeigen in die digitalen Kanäle. Und ein Wirtschaftsportal, ein Gesundheitsportal und ein Genussportal. Die Kunden erzielen mit dieser vielfältigen digitalen Werbung bis zu 60.000 Zugriffe. Eine Erfolgsgeschichte.